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Notfall im Advent

Text: An­ne Zel­ler Fo­tos: Nor­bert Gol­lasch

21.12.2021

Sams­tag­früh, Schnee­re­gen. Neun Tou­ren­lei­ter und ein Aus­bil­der der Berg­wacht sit­zen in ei­nem Raum des Klos­ters Be­ne­dikt­be­u­ren und boh­ren in der Na­se – ein bi­zar­rer Start un­se­res Ers­te-Hil­fe-Kur­ses, doch ir­gend­wie in die­sen Zei­ten fast schon nor­mal. Zu­mal wir froh sind, dass wir, mit 2G und Selbst­test am Mor­gen, den Kurs durch­füh­ren dür­fen. 

Die „Co­ro­na­for­ma­li­tä­ten“ sind auch schnell er­le­digt. Zum Warm­wer­den ma­chen wir ein klei­nes Spiel, in dem wir den Ab­lauf bei ei­nem Not­fall re­kon­stru­ie­ren. Wie war das noch­mal, erst Not­ruf, dann sta­bi­le Sei­ten­la­ge oder an­ders­rum? Und Wär­me­er­halt ganz zum Schluss? Gilt bei Kin­dern ei­gent­lich was an­de­res? Je­der von uns hat doch schon meh­re­re Ers­te-Hil­fe-Kur­se ge­macht (al­lein schon als Be­stand­teil der Tou­ren­lei­ter-Aus­bil­dung)... Am En­de krie­gen wir den Ab­lauf zu­sam­men rich­tig hin – aber es wird auch schnell klar, wie wich­tig re­gel­mä­ßi­ges Üben und Wie­der­ho­len ist.

Dick ein­ge­packt geht es da­nach nach drau­ßen. Es gibt si­cher­lich bes­se­res Wet­ter als (Schnee-) Re­gen und ein­stel­li­ge Tem­pe­ra­tu­ren, um an ei­nem Ad­vents­wo­chen­en­de drau­ßen zu sein. Doch bei den fol­gen­den Fall­spie­len, die sich un­ser Aus­bil­der Wastl aus­denkt, hat kei­ner Zeit zu frie­ren: Wir wer­den in zwei Grup­pen auf­ge­teilt und Wastl nimmt sich im­mer 1-2 „Op­fer“ je Grup­pe bei­sei­te, er­klärt ih­nen ih­re Rol­le und ih­re „Ver­let­zun­gen“. Dann kommt der Rest der Grup­pe da­zu und muss sich um die „Ver­letz­ten“ küm­mern. Es zeigt sich, dass in man­chem Tou­ren­lei­ter bis­her un­ent­deck­te Schau­spiel­küns­te schlum­mern, denn es wird ge­jam­mert, ge­schri­en oder was die ver­meint­li­che Ver­let­zung sonst so her­ge­ben soll. Ob­wohl wir al­le wis­sen, dass es nur ein Spiel ist, kom­men die be­treu­en­den Grup­pen oft in ech­ten Stress – per­fek­te Übungs­si­tua­ti­on! Nach je­dem Fall­bei­spiel be­spre­chen wir in der Grup­pe, wie sich die „Op­fer“ und die „Erst­hel­fer“ ge­fühlt ha­ben. Wastl be­ur­teilt un­se­re Maß­nah­men und wir ler­nen da­bei al­le ex­trem viel da­zu. Der ers­te Vor­mit­tag ist schnell vor­bei und nach­dem das ver­dreh­te Knie, die Un­ter­zu­cke­rung, der Herz­in­farkt, der Schock, die Wir­bel­säu­len­ver­let­zung, der Schlüs­sel­bein­bruch und am En­de so­gar noch ein of­fe­ner Bruch ver­sorgt wur­den, geht’s schnell wie­der ins War­me zum Auf­wär­men und Piz­za es­sen. Nach­mit­tags üben wir das Ver­bin­den und spre­chen über Hy­po­ther­mie (Un­ter­küh­lung), den Bo­dy­check und na­tür­lich al­le un­se­re Fra­gen, die Wastl im­mer ge­dul­dig, aus­führ­lich, fach­män­nisch und sehr pra­xis­be­zo­gen be­ant­wor­tet. 

Am Sonn­tag, 2. Ad­vent, tref­fen wir uns wie­der um 8 Uhr in Wolfrats­hau­sen, um ge­mein­sam nach Be­ne­dikt­be­u­ren zu fah­ren. Dies­mal blei­ben wir erst mal drin­nen, um die Re­ani­ma­ti­on (Wie­der­be­le­bung) an der Pup­pe zu üben. Auch wir (Berg-) Sport­ler kom­men da­bei ganz schön au­ßer Atem und ins Schwit­zen, auch wenn wir nach we­ni­gen Mi­nu­ten von Wastl oder vom De­fi (De­fi­bril­la­tor) „er­löst“ wer­den. Die wich­tigs­te Er­kennt­nis: Nicht die or­ga­ni­sier­te Ret­tung, son­dern wir Erst­hel­fer ret­ten le­ben – wenn wir die Tech­ni­ken der Ers­ten Hil­fe, al­len vor­an der Wie­der­be­le­bung, be­herr­schen und re­gel­mä­ßig üben! Le­bens­ret­tend kann auch die sta­bi­le Sei­ten­la­ge sein, die wir im An­schluss eben­falls üben – dan­ke an Tan­ja und Jan, die sich als „leb­lo­se Per­so­nen“ da­für zur Ver­fü­gung ge­stellt ha­ben. ☺ An­schlie­ßend geht’s na­tür­lich auch am zwei­ten Tag un­se­rer Ers­te-Hil­fe-Fort­bil­dung raus, schließ­lich wol­len wir Ers­te Hil­fe drau­ßen und am Berg üben. Wir fah­ren dies­mal ein Stück Rich­tung Pes­sen­bach, von wo wir ein paar Mi­nu­ten in ber­gi­ges Übungs­ge­län­de auf­stei­gen. Und dann geht’s wie­der zur Sa­che: Hand­ge­lenks­bruch mit dro­hen­der Ohn­macht, Schlag­an­fall mit­ten im Steil­hang, Hüft­frak­tur (Bruch) oh­ne Han­dy­emp­fang, so dass wir den Pa­ti­en­ten selbst zur Stra­ße tra­gen müs­sen… Un­ab­hän­gig vom Ver­let­zungs­mus­ter stellt uns auch heu­te wie­der wet­ter­be­dingt der (le­bens-) wich­ti­ge Wär­me­er­halt vor ei­ne große Her­aus­for­de­rung: Al­le „Op­fer“ be­rich­ten, dass sie be­reits nach we­ni­gen Mi­nu­ten die Käl­te spü­ren und aus­küh­len. Ret­tungs­de­cke, Bi­wak­sack oder so­gar ein Ruck­sack­bett schaf­fen hier not­dürf­tig Ab­hil­fe. Nach­dem al­le „ge­ret­tet“ sind und wir die Fall­bei­spie­le aus­führ­lich be­spro­chen ha­ben, geht’s zu­rück in die war­me Stu­be im Klos­ter. Es gibt wie­der Piz­za für die hung­ri­gen Erst­hel­fer und den eben­falls hung­ri­gen Aus­bil­der. Den Nach­mit­tag ver­brin­gen wir mit ver­schie­de­nen in­ter­nen Ver­let­zun­gen oder Pro­ble­men, die wir er­ken­nen soll­ten, bei de­nen wir aber oft nur we­nig ma­chen kön­nen (au­ßer Not­ruf, Wär­me­er­halt und Be­treu­ung): All­er­gi­en, Sep­sis, Herz­in­farkt, aku­ter Bauch, in­ne­re Ver­let­zun­gen… Bei der ab­schlie­ßen­den Feed­back­run­de sind sich al­le ei­nig, dass es ein sehr, sehr in­ter­essan­ter und lehr­rei­cher Kurs war. Aus­bil­der Wastl hat’s auch Spaß ge­macht und er be­rich­tet, dass man bei uns im Lauf der zwei Ta­ge ge­se­hen hat, dass wir bei den Übun­gen im­mer si­che­rer, ru­hi­ger und ziel­stre­bi­ger ge­wor­den sind. Fa­zit: Auf dass wir das Ge­lern­te nie ver­ges­sen, aber auch nie an­wen­den müs­sen!

Vie­len Dank an Wastl und die Fir­ma Da­ni Horn­stei­ner für die lehr­rei­chen zwei Ta­ge, an Nor­bert fürs Or­ga­ni­sie­ren des Kur­ses und an die Sek­ti­on für die Über­nah­me der Kos­ten!