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Winterbesteigung Piz Buin im August

Text: An­ne Zel­ler Fo­tos: Jens Trep­tow, Hei­ko Fi­scher, An­ne Zel­ler

17.09.2021

Ich schla­ge vor, wir neh­men die Ski mit?!, schrei­be ich am Vor­tag un­se­rer ge­plan­ten Sek­ti­ons­tour zum Piz Buin an die Teil­neh­mer An­dre­as, Jens, Hei­ko, Ol­li und Ze­no. Wohl­ge­merkt für das letz­te Au­gust­wo­chen­en­de die­ses Jah­res (27.-29. Au­gust). Doch der Wet­ter­be­richt sagt tat­säch­lich bis zu -3°C (ge­fühlt mit Wind bis zu -7°C) und Schnee an! Aber er ist auch nicht „schlecht ge­nug“, um die Tour ab­zu­sa­gen.

Al­so fah­ren wir am Frei­tag mit Dau­nen­ja­cken und Ski­tou­ren­ho­sen (aber oh­ne Ski) im Ruck­sack über die schö­ne Sil­vret­ta Hoch­al­pen­stra­ße zum großen Stau­see an der Bi­e­ler­hö­he. Von Schnee ist hier noch nichts zu se­hen. Im Auf­stieg zur Wies­ba­de­ner Hüt­te ha­ben wir so­gar ab und zu Son­ne und Blick auf den blau­en Him­mel!

Nach ge­wohnt mä­ßi­ger ers­ter Nacht auf ei­ner (hö­he­ren) Hüt­te geht es am Sams­tag früh los. Ich fra­ge noch einen aus dem Tal auf­ge­stie­ge­nen Berg­füh­rer nach dem ak­tu­el­len Wet­ter­be­richt. „Na, des passt, so vie­le Nie­der­schlag soll‘s nicht ge­ben.“ Na gut. Bei mal gu­ter, mal we­ni­ger gu­ter Sicht su­chen wir uns den Weg über den Glet­scher­schliff zum Be­ginn des Och­sen­ta­ler Glet­schers. Gar nicht so leicht und vor al­lem gar nicht so leicht zu be­grei­fen, dass der Glet­scher ein­mal viel wei­ter nach un­ten ging! Auf ca. 2.700m heißt es dann Steig­ei­sen an­zie­hen und an­sei­len. Die Sicht ist hier gleich Null. Ich bin froh, dass vor uns zwei Berg­füh­rer-ge­führ­te Grup­pen sind (bzw. wa­ren – se­hen kann ich sie nicht mehr), die uns ei­ne glaub­wür­di­ge Spur auf dem be­reits mit we­ni­gen Zen­ti­me­tern Schnee be­deck­ten Glet­scher hin­ter­las­sen ha­ben. Oh­ne die­se Spur wür­de ich die Tour hier ab­bre­chen – kei­ne Chan­ce den Weg über den (spal­ti­gen!) Glet­scher im Whi­teout zu fin­den.

Wir stei­gen auf und se­hen stre­cken­wei­se nichts – scha­de, wä­re si­cher ein schö­nes Pan­ora­ma, auch wenn ich ob der Spal­ten ein „Fo­to­ver­bot“ aus­ge­ge­ben ha­be. Kurz vor der Buin Lücke kommt uns schon ei­ne Seil­schaft ent­ge­gen. Sie bre­chen ab, zu viel Schnee und zu­sätz­lich zu we­nig Kon­di­ti­on. Hm. Be­stärkt mich nicht un­be­dingt wei­ter­zu­ge­hen…

An der Buin Lücke an­ge­kom­men, bin­den wir uns aus, ge­hen aber so­fort wei­ter in Rich­tung Nord­west­grat, denn an der Lücke soll man seit ei­ni­ger Zeit we­gen Fels­sturz­ge­fahr kei­ne Pau­se ma­chen. Au­ßer­dem ist es eh viel zu kalt zum Ste­hen­blei­ben, den­ke ich mir.

Am Grat kön­nen wir ge­ra­de noch ei­ne der bei­den Berg­füh­rer-Grup­pen se­hen. So­bald das Kra­xel­ge­län­de los­geht, ver­stau­en wir un­se­re Pi­ckel, ma­chen kurz Pau­se (wie ge­sagt, es ist ziem­lich kalt, und es schneit mit un­an­ge­neh­mem Wind). Dann geht es wei­ter und ich bin auch hier froh, zwi­schen den ver­schnei­ten Fel­sen am Grat im­mer wie­der Spu­ren zu fin­den. Sonst wä­re die Weg­fin­dung ziem­lich schwie­rig, zu­mal ich ja selbst noch nie hier war. Wir klet­tern vor­sich­tig – mit Steig­ei­sen – wei­ter em­por. Der Grat ist oft Geh­ge­län­de im I. Grat. Am En­de kommt ei­ne Art Ka­min im II. Grat. Hier hat­te ich über­legt zu si­chern – aber der Ka­min ist so schnell vor­bei und al­le Teil­neh­mer klet­tern so sou­ve­rän, dass wir schon wie­der im Geh­ge­län­de sind, be­vor ich mir über­le­gen kann, wie und ob ich hier si­che­re. Nach we­ni­gen wei­te­ren (kal­ten, sicht­ar­men) Schrit­ten ste­hen wir am Gip­fel. Al­lein, im Schnee­ge­stö­ber. Ei­gent­lich könn­ten wir auch auf je­dem x-be­lie­bi­gem an­de­ren Berg ste­hen, wir se­hen näm­lich gar nix, nur das Kreuz. Nach we­ni­gen Mi­nu­ten kommt ei­ne an­de­re Seil­schaft, wie ge­ru­fen um ein kur­z­es Gip­fel­fo­to un­se­rer Grup­pe zu ma­chen.

Da­nach trei­be ich zum Auf­bruch: Un­se­re Spu­ren zum Gip­fel sind be­reits zu­ge­schneit und/oder ver­weht. Ich will mög­lichst schnell zu­rück zum Glet­scher, denn da brau­che ich ei­ne Spur um einen schnel­len, si­che­ren Weg zu­rück zu fin­den. Sonst wird das ei­ne läs­ti­ge Ak­ti­on mit GPS und Kom­pass…

Al­so geht es zü­gig, aber wei­ter­hin kon­zen­triert zu­rück über den Grat. Al­le aus der Grup­pe sind wirk­lich si­cher und sou­ve­rän in die­sem al­pi­nen Ge­län­de, bin ich froh! An der Buin Lücke sei­len wir so schnell es geht an und dann geht’s auf, im­mer der Spur im wei­ßen Nir­gend­wo nach – man kann sie zum Glück ge­ra­de noch so er­ken­nen. Im Ab­stieg ha­be ich trotz­dem kurz­fris­tig das Ge­fühl, dass wir wie­der berg­auf ge­hen – ty­pisch, wenn man um si­cher her­um gar nichts mehr sieht au­ßer Weiß. Ich che­cke kurz per GPS: Zum Glück sind wir ge­nau „auf Spur“.

Als wir am Glet­sche­ren­de an­kom­men, tref­fen wir wie­der auf zwei an­de­re Grup­pen. Und wir se­hen wie­der mehr. Jetzt heißt‘s erst­mal in Ru­he Pau­se ma­chen! Der Ab­stieg über den zum Teil mit Roll­split aus­ge­leg­ten Glet­scher­schliff for­dert noch­mal Kon­zen­tra­ti­on, aber wir mer­ken al­le deut­lich, dass die An­span­nung nach­lässt (zu­min­dest mei­ne An­span­nung). Im­mer noch leich­ter Schnee­fall be­glei­tet uns bis zur war­men Hüt­te. Hier gibt es zum Glück wun­der­ba­re Tro­cken­schrän­ke für die Aus­rüs­tung, denn die ist mitt­ler­wei­le rich­tig nass. Wir nut­zen den Nach­mit­tag für Po­wer­naps, Rat­schen, Kaf­fee und Ku­chen und ein nicht en­den wol­len­des Mensch-Är­ge­re-Dich-Nicht-Spiel.

Am nächs­ten Mor­gen be­grüßt uns (wie­der) ei­ne ein­ge­schnei­te Land­schaft. Und es schneit bzw. schnee­reg­net. Da fällt die Ent­schei­dung leicht und es pro­tes­tiert auch nie­mand, als ich den Plan für Sonn­tag un­ter­brei­te: Statt wie ge­plant über das Ho­he Rad ab­zu­stei­gen, neh­men wir den di­rek­ten Hüt­ten­ab­stieg zu­rück zur Bi­e­ler­hö­he. Mit den Er­in­ne­run­gen an un­se­re sehr al­pi­ne Tour und der Aus­sicht auf das hei­mi­sche So­fa sind al­le zu­frie­den.

Fa­zit: Ich hät­te tat­säch­lich nicht ge­dacht, dass wir den Gip­fel er­rei­chen. Vie­len Dank und großes Lob an die Grup­pe, ihr seid wirk­lich fit und die­se Win­ter­tour im Au­gust wird noch lan­ge in Er­in­ne­rung blei­ben!